Deutschland - Russland 3:1 (0:0)

Deutschland gegen Russland - beim letzten Test vor der Europameisterschaft hatte sich Silvia Neid für den 6. August einen Gegner ins Bochumer Ruhrstadion eingeladen, der spielerisch dem zukünftigen Gruppengegner Island ähneln sollte. Es war umso verwunderlicher, dass man am Spieltag in den Zeitungen lesen konnte, Deutschland würde zu dieser "Simulation" nur auf die zweite Mannschaft zurückgreifen - der DFB hatte dann aber offenbar doch nicht so viel Angst vor den anwesenden Trainer-Adleraugen der Konkurrenz - oder wird in Finnland in der Startelf auf Akteurinnen wie Nadine Angerer, Birgit Prinz oder Simone Laudehr verzichten.
Verzichten hätte man auch auf die ersten 45 Minuten der Partie können. Deutschland gelang bei drückender Hitze in der Offensive nicht viel gegen eine gute russische Abwehr, defensiv musste man hoffen, dass Silvia Neid die Absicht hatte, die Frauenfussball-Welt bezüglich der eigentlichen Leistungsfähigkeit der Verteidigung derbe zu täuschen. Insbesondere Kerstin Stegemann stand in ihren ersten vollen 90 Minuten nach Verletzung völlig neben der Kappe - nicht selten enteilten der Herforderin die Gegenspielerinnen um mehrere Meter. Aber auch aus der Innenvertedigung wurde oft der blinde Befreiungsschlag anstatt dem kontrollierten Spielaufbau gewählt. Die erste Chance für die Gäste hatte Elena Fomina in der 18. Minute, zuvor war Deutschland zwar mehrheitlich in Ballbesitz, ohne aber gegen einen übermäßig robusten Gegner Glanzpunkte zu setzen. Für Stimmung unter den 13.000 Zuschauern sorgte in der ersten Halbzeit vor allem der DFB-Maskottchenadler Paule - bei dieser Begeisterung für Geflügel bekamen die Geschäftsführer des ortsansässigen Kentucky Fried Chicken bestimmt feuchte Augen. Auch wenn gegen Ende der ersten Halbzeit die Partie etwas an Fahrt aufnahm und Birgit Prinz in der 36. und Kim Kulig in der 45. Minute noch leichte Warnschüsse abgaben, war der Halbzeitpfiff der guten Leipziger Schiedsrichterin Anja Kunick eines der Highlights der ersten Halbzeit.
Zwei frühe Tore in der zweiten Halbzeit gaben dem Spiel direkt deutlich mehr Würze: nachdem Prinz bereits nach 40 Sekunden eine erste gute Chance hatte, nutzte Kerstin Garefrekes eine schöne Hereingabe von Inka Grings in der 52. Minute, als diese den Ball von der linken Seite über Elena Kochneva hob, zum 1:0. Praktisch mit dem dem Wiederanstoß war die deutsche Freude dann aber auch gleich wieder vorbei, denn Olesya Kurochinka ließ Kerstin Stegemann sehr schlecht aussehen und glich praktisch postwendend aus. Die Partie hatte nun deutlich mehr Fahrt, die defensiven Schwächen blieben aber genauso offensichtlich wie offensive Defizite. Es folgte das übliche wechselspiel, unter anderem vertraute Silvia Neid in dieser Phase nun Lira Bajamraj und Saskia Bartusiak, die offenbar so lange Chancen in der Nationalmannschaft erhält, bis sie ein überzeugendes Spiel in der Innenverteidigung abliefert - wenn es also nach der erneut fragwürdigen Kurzleistung geht, sollte sich die Frankfurterin sich auch schon auf einen erneuten Einsatz im ersten EM-Gruppenspiel gegen Norwegen freuen. Andere Spielerinnen wie die in der Bundesliga-Saison bestechend starke Sonja Fuss scheinen hingegen nicht eine faire Chance zu erhalten, die Spielerin des 1. FC Köln sollte erst in der Schlussphase zu einem wenigen Minuten dauernden Kurzeinsatz kommen. In der 64. Minute hatte Deutschland dann das nötige Glück, als Ksenia Tsybutovich einen Freistoß von der recht gefälligen Linda Bresonik über Kochneva ins eigene Tor köpfte. Kurz darauf prüfte Kim Kulig die russische Schlussfrau mit einem Schuss von der Strafraumgrenze, diese konnte gerade so über die Latte entschärft werden. Auch Bajamaraj scheiterte knapp in der 73. Minute. In der 88. Minute hätte Russland fast nach völligem Chaos in der deutschen Hintermannschaft ausgleichen können, in der zweiten Minute der Nachspielzeit sorgte dann die in der 87. Minute eingewechselte Martina Müller für den 3:1-Endstand. Über Sonja Fuss und Celia Okoyino da Mbabi landete der Ball auf der rechten Seite bei Garefrekes, die völlig allein den Ball in die Mitte ablegen konnte. Fuss hätte den Treffer genauso freistehend markieren können wie Müller, ließ aber der Wolfsburgerin den Vortritt.
Letztlich stimmten die zweiten 45 Minuten der Partie zwar deutlich optimistischer als der erste Spielabschnitt, trotzdem muss Silvia Neid und ihre Mannschaft noch viele Hausaufgaben erfüllen, damit Norwegen, Island und Frankreich nicht ihre Freude mit der deutschen Vertretung bei der EM haben. Persönlich befremdlich stimmte mich vor allem aufgrund der Ankündigung einer "zweiten Mannschaft" in Bochum der Nicht-Einsatz von Lisa Weiß, gerade als Vorbereitung für den "Ernstfall" hätte ich mir sehr gewünscht und erwartet, dass die junge Essenerin zumindest einen halbstündigen Kurzeinsatz vor der Europameisterschaft genießen darf.



  Deutschland   Russland
1 Nadine Angerer (TW) 12 Elena Kochneva (TW)
2 Kerstin Stegemann 2 Maria Dyachkova
4 Babett Peter 5 Tatiana Skotnikova
5 Annike Krahn 8 Valeria Savchenkova
6 Simone Laudehr 9 Elena Fomina
8 Inka Grings 10 Olesya Kurochinka
9 Birgit Prinz (C) 11 Ekaterina Sochneva
10 Linda Bresonik 13 Elena Suslova
14 Kim Kulig 18 Natalia Pertseva
17 Ariane Hingst 19 Ksenia Tsybutovich
18 Kerstin Garefrekes 21 Elena Morozova
3 Saskia Bartusiak 3 Anna Kozhnikova
13 Celia Okoyino da Mbabi 4 Alla Rogova
15 Sonja Fuss 17 Elena Danilova
16 Martina Müller    
19 Famire Bajmaraj